Medizinische Soforthilfe nach häuslicher Gewalt

Die Zahl häuslicher Gewaltdelikte ist weiterhin ansteigend, wobei in der polizeilichen Kriminalstatistik nur die Fälle erfasst werden, die der Polizei – in der Regel durch eine Anzeige der Betroffenen – bekannt geworden sind. In der Intervention häuslicher Gewalt spielen Ärztinnen und Ärzte, aber auch das Pflege- und Rettungsdienstpersonal und das Personal in Notaufnahmen eine große Rolle. Oft sind medizinische Fachpersonen die einzigen Menschen, die die körperlichen, aber auch die psychischen Folgen häuslicher Gewalt zu Gesicht bekommen.

Jede vierte Frau erfährt mindestens einmal im Leben häusliche Gewalt. In einer sachsenweiten Erhebung im Jahr 2017 gaben Ärztinnen und Ärzte an, in ihrer Praxis gar keine oder nur selten Patient*innen zu haben, die Opfer häuslicher Gewalt wurden.

Erkennen von Symptomen

„Typische“ Verletzungen sind Hämatome, Frakturen (vor allem der Finger), Platzwunden oder Bisse, welche hauptsächlich im Bereich des Kopfes und des Oberkörpers (Arme und Hände) zu finden sind. Ebenso können akute Hör- und Sehstörungen und chronische Schmerzsyndrome vor allem bei jüngeren Menschen ein Zeichen andauernder häuslicher Gewalt sein.

Auch psychische Symptome (z.B. Schlafstörungen, Panikattacken, Depressionen, Essstörungen) oder Substanzmissbrauch können auf häusliche Gewalt oder auf den Versuch der Bewältigung einer solchen hinweisen.

Ärztliche Untersuchung

Schuldgefühle der Betroffenen, die Angst, von Ärztin oder Arzt nicht verstanden oder gar verurteilt zu werden („Warum trennen Sie sich nicht einfach?“) oder die Angst vor einer Verstärkung der häuslichen Gewalt sind die typischen Gründe für die Zurückhaltung der Betroffenen bzw. dafür, für die Verletzungen oder Erkrankung Erzählungen zu bringen oder diese zu bagatellisieren. Deswegen sollte das ärztliche Gespräch immer in einer ruhigen Atmosphäre und vor allem unter vier Augen stattfinden. Signalisieren Sie gern durch entsprechende Materialien (z.B. Plakate oder Flyer im Wartebereich), dass Sie sensibel für das Thema der häuslichen Gewalt sind.

Teil der ärztlichen Versorgung sollte außerdem die gerichtsfeste Befunddokumentation sein. Wir empfehlen hierfür folgenden Befunderhebungsbogen:

          Befundbogen SIGNAL

Jede Verletzung sollte erfasst und dokumentiert werden, auch hinsichtlich des möglichen Verletzungsalters und der genauen Lage am Körper. Dies gelingt am besten mit den genannten oder ähnlichen Formularen.

Wie geht es weiter?

Handeln Sie wie bei allen anderen Patient*innen: Überweisen Sie ihre Patientin/ihren Patienten gegebenenfalls zum Facharzt oder denken Sie auch über eine stationäre Einweisung nach. Dies gilt für alle medizinschen Fachrichtungen. Kliniken und ärztliche Niederlassungen sind aber auch eine wertvolle Schnittstelle in das weitere psychosoziale Hilfesystem. Spezifische Beratungs- und Versorgungsangebote sowie Hilfetelefone finden Sie hier.

Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung

mehr erfahren

Aufbau eines Unterstützungsnetzes für Sachsen

mehr erfahren

Kontakt

Bellis e.V.
Bornaische Straße 18
04277 Leipzig

Tel.: 0341/39285560
kontakt@bellis-leipzig.de
www.bellis-leipzig.de

Förderung Freistaat Sachsen